Mehrfach ging es gestern und heute durch die Presse: Frau Merkel würdigt die Arbeit von Freiwurf Hamburg im Rahmen des Bundeswettbewerbs von Startsocial mit dem Sonderpreis der Bundeskanzlerin. Ganz großer Handball - und hier nun mein Erlebnisbericht zu unserem Ausflug in die Regierungszentrale:
Im Mai erreicht uns als einer der 100 Stipendiaten von startsocial e.V. eine Einladung zur Ehrung der Bundespreisträger ins Bundeskanzleramt, über die wir uns sehr gefreut haben. Ein Wermutstropfen war allerdings, dass wir nur zwei Vertreter auf die Veranstaltung entsenden durften. Und so reisten gestern am frühen Morgen des 3. Juni Max und ich, gemeinsam mit unserem Coach Claudia Richtung Berlin.
Natürlich waren wir alle drei schon bei der Abfahrt extrem gespannt und aufgeregt! Was wird uns wohl bei der Kanzlerin erwarten? Um halb zehn dann kamen wir am Tor des Bundeskanzleramts an. Zunächst mussten wir, wie am Flughafen, durch eine Sicherheitsschleuse. Es ging alles erwartungsgemäß glatt und wir konnten das imposante Gebäude betreten. Als erstes durften wir im Hauptfoyer einen kleinen Messestand gestalten und unsere Plakate, Fotos und Konzeptunterlagen für das Publikum bereit stellen. Zudem hatten wir die Chance, die Stände der anderen 24 geladenen Stipendiaten zu besuchen und uns mit Gleichgesinnten auszutauschen. Dabei gab es viele schöne Begegnungen und gute Gespräche. Und eins wurde uns auch schnell klar: Es gibt viele richtig gute und unterstützungswerte soziale Projekte in Deutschland! Wir waren bereits jetzt stolz, dass wir als eines dieser Projekte hier im Bundeskanzleramt dabei sein durften.
Mehrfach kamen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kanzlerin, die für das Protokoll der Veranstaltung zuständig waren, zu allen Teilnehmern und gaben genaue Vorgaben zum Ablauf der Ehrung durch die Kanzlerin.
Kurz nach 11 Uhr wurde es dann langsam ernst: Alle Stipendiaten wurden zu ihren Plätzen geführt. Max und ich durften ganz vorne in der Mitte sitzen. Sofort viel uns das Kreuz am Boden direkt vor uns auf und wir fragten uns, für was das wohl da war? Ob hier später die Kanzlerin für das Pressefoto stehen würde? Ok, dann zur Sicherheit schnell noch das Hemd und die Frisur richten!
Zur Einstimmung zeigte einer der früheren Bundespreisträger sein Können: Bei einer inklusiven Zirkusschau durften wir Artisten auf dem Einrad und Jongleure bestaunen und beklatschen. Aber wo war nur Frau Merkel? Uns wurde zwar vorab mitgeteilt, dass sie erst etwas später zu der Ehrung kommen würde - trotzdem blickten wir uns immer wieder um, es war ja doch zu aufregend.
Und dann plötzlich kam ein Mitarbeiter des Bundeskanzleramts und gab alle ein Zeichen, sich zu erheben. Schnellen Schrittes kam die Bundeskanzlerin herein und ging zielsicher auf das kleine Kreuzchen vor Max und mir zu. Kurzes Kopfnicken und ein paar Grußworte in unsere Richtung, umdrehen zur Pressebühne und schon klickten die Kameras mehrerer Fotografen.
Danach trat Frau Merkel an das Rednerpult und hielt eine Eröffnungsrede, in der sie sich für das Engagement aller Stipendiaten und auch der Coaches bedankte. Sie unterstrich zudem die Wichtigkeit von ehrenamtlichem Engagement für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Leider musste sie sich danach schon wieder verabschieden, da dringende Aufgaben auf sie warteten.
Nun wurde es richtig spannend. Nacheinander traten Laudatoren an das Rednerpult und ehrten jeweils eines der 25 anwesenden Projekte. Die Auszeichnung als Bundespreisträger war jeweils mit einem Preisgeld von 5.000 EUR verbunden! Max und ich hielten immer wieder die Luft an, wenn der nächste Laudator die Bühne betrat. Werden wir auch dabei sein? Zunächst wurde das Projekt der Schülerpaten Deutschland ausgezeichnet, bei dem Bildungspartnerschaften zwischen Schülern mit Migrationshintergrund und engagierten deutschsprachigen Paten vermittelt werden. Jedes aufgerufene Projekt war in der Tat eines Bundespreises würdig, so auch AIAS. Ein Projekt, dass an Universitäten Studierende zum Thema Blutkrebs sensibilisiert und über dessen Stammzellenspender-Suche bereits fünf Menschenleben gerettet werden konnten!
Schon bald waren die ersten sechs Preisträger geehrt und nur der Sonderpreis der Bundeskanzlerin war noch zu vergeben. Die Kanzlerin wurde vertreten durch ihren Staatsrat Dr. Helge Braun. Herr Braun begann seine Rede damit, dass in diesen Tagen das Sportfieber in Deutschland wieder zunimmt - Jetzt wo die Fußball-WM vor der Tür steht.
>>>Hhm, war da nicht dieses eine Projekt, dass in Rio ein Fußballfeld anlegt - das passt tatsächlich gut in das aktuelle Jahr…<<<
Weiter mit Herrn Braun: Sport hat in unserer Gesellschaft eine ganz besondere Bedeutung. Sport bringt Menschen zusammen, im Sport kann man viel lernen. Im Sport lernt man im Team zusammenzuarbeiten. Vor einigen Jahren haben wir begonnen im Zuge der Ratifizierung der UN-Menschenrechtskonvention auch das Thema der Inklusion in den Mittelpunkt der Politik zu stellen...
>>> Ok, Inklusion und Sport können wir auch - vielleicht sind wir ja gemeint ?!?<<<
Herr Braun, bitte: Es gibt eine Sportart, wenn da ein Foul begangen wird und einer seine Entfaltung nicht so Leben kann, wie er möchte, gibts in dieser Sportart einen Freiwurf.
>>> Hey momentmal, das ist doch ein Statement aus unserem Abschlussbericht! Was ist denn da los, der wird uns doch nicht gleich noch hier auf die Bühne bitten<<<
… und deshalb möchte ich heute ganz herzlich den Preisträgern, vertreten durch Max Rode und Martin Wild, gratulieren. Denn das was Sie hier tun ist beispielgebend für den gesamten Sport in Deutschland!
Völlig überwältigt standen Max und ich auf, umarmten uns und nahmen vom Staatsrat die Urkunde und einen Check über 5.000 EUR entgegen. Nach den Pressefotos durften wir noch eine paar Worte sagen. Das erste was mir einfiel: „Ääh, eigentlich wollten wir doch nur Handball spielen…“. Eine Sache wollten wir dann aber doch noch dem Publikum mitteilen: Auch wenn da nun zwei Trainer den Preis in Empfang nehmen, unser Leitspruch lautet: „Was sind wir? - Ein TEAM“ und so gebührt der Preis auch allen 80 Mitspielern, Trainern, Betreuern und Helfern von Freiwurf Hamburg. Natürlich haben wir auch gleich alle Anwesenden ins nächste Training eingeladen!
Danach wurden wir von der anwesenden Presse für Interviews und Fotos in Beschlag genommen. Gleichwohl konnten wir auf dem anschließenden Empfang noch mit vielen der anderen Projekte ins Gespräch kommen und uns alle gemeinsam feiern. Besonders schön fanden wir, dass viele Stipendiaten auf uns zukamen, unser Projekt ausdrücklich lobten und uns mitteilten, dass wir auch ihr Favorit waren. Das ist wirklich eine große Ehre für uns! Vielen Dank dafür und Euch allen weiterhin viel Erfolg mit Euren wirklich tollen Projekten!
Nach dem dritten Glas Sekt wurden wir dann freundlich aus dem Bundeskanzleramt gebeten, schließlich muss der Regierungsbetrieb ja weitergehen!
Ein sehr netter Polizist am Eingangstor verabschiedete uns noch und gab uns einen guten Tipp, wo wir auf unseren Erfolg noch anstoßen konnten...
In einem Biergarten am Spreekanal genossen Claudia, Max und ich dann noch bei einem Siegerbier die Berliner Sonne und die sehr gelungene Veranstaltung. Auch wenn das Telefon ab dem Zeitpunkt nicht mehr still stand und zahlreiche Glückwunsch-SMS einflogen…
Ich möchte mich bei startsocial im Namen von ganz Freiwurf Hamburg für das Stipendiat ganz herzlich bedanken - unsere beiden Coaches waren der beste Preis, den wir erhalten konnten! Claudia und Daniel, Euch gebührt ganz großer Dank! Ihr seid in den letzten Wochen echte Teamkameraden bei Freiwurf Hamburg geworden und auf unserer Auswechselbank werden wir immer ein Plätzchen für Euch frei halten!
Danke auch an Euch, liebes Projektteam - Danke Aleks, Astrid, Brita, Daniel, Guido, Hans-Georg, Hermann, Katharina, Maarten, Marcus, Max und Steffi. Ihr habt einen super Job gemacht und ich freue mich schon auf unsere weitere Arbeit an unserem Freiwurf Hamburg!
Was sind wir? EIN TEAM!
Detaillierte Informationen zu unserem startsocial Stipendium
Im Herbst letzten Jahres bewarben wir Freiwurf Hamburg bei Startsocial e.V. um ein Beratungsstipendiat. Startsocial ist ein Verein, der nach dem Motto „Hilfe für Helfer“ jedes Jahr Stipendien für soziale Projekte ausschreibt. Wer das Glück hat, ein Stipendium zu bekommen, erhält über mehrere Monate Unterstützung von Coaches aus Unternehmen und sozialen Institutionen, die durch professionelle Beratung und Hilfestellung bei der Umsetzung die auserwählten Projekte nachhaltig voranbringen sollen. Dabei steht bei dem Stipendium nicht eine einmalige finanzielle Förderung einzelner Projekte im Mittelpunkt, sondern ein systematischer Wissenstransfer aus der Wirtschaft und sozialen Organisationen in die soziale Projektarbeit hinein.
Und warum haben wir uns beworben?
Freiwurf Hamburg ist seit dem Start im Februar 2010 stetig und schnell gewachsen: Aus einer Trainingsgruppe mit 10 Spielern ist innerhalb von vier Jahren eine vereinsübergreifende Initiative mit über 70 Sportlern mit und ohne geistiger Behinderung in den vier Vereinen AMTV, Elmshorner HT, FC St. Pauli und SVE Hamburg geworden. Wir spielen seit der letzten Saison in einer eigenen offiziellen Liga - der ersten inklusiven Handballliga in Deutschland! Zahlreiche Verbände und Vereine kooperieren mit uns, unter anderem der Hamburger Handball-Verband und der Deutsche Handball Bund. Verschiedene Medien berichten regelmäßig über uns, u.a. der NDR, RTL, die BILD, die taz, die Handballwoche und das Handballmagazin. Und wir wurden bereits mit dem kleinen Silbernen Stern des Sports 2011 und dem Werner-Otto Preis 2014 ausgezeichnet. Anscheinend haben wir einen Nerv getroffen.
Das mag vielleicht an unserer Ausrichtung liegen: Freiwurf Hamburg steht für Inklusion durch Handball für Alle in der Metropolregion Hamburg. Bei uns im Training ist jeder Willkommen, egal welche körperlichen oder geistigen Voraussetzungen sie oder er mitbringt!
Bei uns ist wichtig, was jeder im Rahmen seines Potentials einbringt! Gut gespielt aber verloren? Das gibt es bei Freiwurf Hamburg nicht! Wenn unsere Spieler ihr Bestes gegeben haben, sind sie Gewinner - das Ergebnis ist uns dabei egal. Natürlich wollen wir auch Spiele gewinnen, aber bei Freiwurf Hamburg geht es um die Art und Weise des Gewinnens und nicht ums Siegen um jeden Preis! Wir haben Freude und Spaß daran, dass bei uns jeder genau die Chance bekommt, die er benötigt. Manche benötigen eben etwas mehr Platz auf dem Feld dafür und andere weniger. Jeder bekommt bei Freiwurf Hamburg genau die Spielfreiheit, die er braucht um mitzuspielen! Und ein erfolgreiches Team ist bei uns nicht eine Mannschaft, die jedes Spiel gewinnt, sondern ein Team, in dem jeder auf seine Teamkameraden bauen kann. In dem man sich gegenseitig respektiert und unterstützt. Keiner wird ausgeschlossen! Jeder gehört zum Team und jeder lernt von jedem. Keiner steht über dem Anderen!
Unser Name steht dabei synonym für unsere Mission: Im Handball gibt es Freiwurf nach einem Foulspiel - wenn ein Spieler in seiner Bewegungsfreiheit von einem Anderen behindert wurde. Der Freiwurf gibt ihm die Chance, wieder ins Spiel zu kommen. Und genau um diese Chance geht es bei Freiwurf Hamburg: Wir sind davon überzeugt, dass Inklusion bedeutet, allen Menschen unabhängig von ihrer körperlichen oder geistigen Voraussetzungen die Bewegungsfreiheit zu ermöglichen, die sie benötigen, um ins Spiel zu kommen - im Handball und in der Gesellschaft!
Doch die Initiative wurde in den letzten Jahren von einigen wenigen Personen getragen. Seit vier Jahren kümmert sich ein kleiner Kreis von passionierten Handballtrainern um eine immer größer werdende Handball-Bewegung. Da sind keine Reserven mehr für ein "weiter so" und stetiges Wachstum, der Status-quo war ausgereizt.
Doch wir wollen unsere Idee, unser Ziel und unsere Liga weiter ausbauen, auch andere Handballgemeinden für unsere Idee begeistern. Und da kam Startsocial auf unser Spielfeld!
Startsocial stellte uns zwei Coaches, Claudia und Daniel, die uns beim Aufbau einer nachhaltigen und stabilen Struktur unterstützten. Doch zunächst mussten wir innerhalb unseres Trainer- und Betreuerstabs eine Projektgruppe auf die Beine stellen. Das stellte schon die erste Herausforderung dar, hatten wir doch noch nie in einer solchen Konstellation außerhalb der Sporthalle miteinander gearbeitet. Und nun sollten wir in wöchentlichen Sitzungen ein rundes Gesamtkonzept für Freiwurf Hamburg entwickeln? Natürlich bei laufendem Trainings- und Ligabetrieb! Glücklicherweise fanden sich 13 Freiwurfler, die seit November 2013 intensiv an der nachhaltigen Entwicklung von Freiwurf Hamburg arbeiteten und auch weiterhin gemeinsam an der Zukunft unserer Initiative arbeiten.
Der erste große Erfolg in unserem Projekt war die Formulierung einer gemeinsamen Mission und der Aufbau eines Zielbildes für Freiwurf Hamburg. Dafür waren einige bis in die Nacht dauernde Diskussionen und viele Abstimmungen notwendig. Doch das Ergebnis kann sich sehen lassen: Viele gemeinsame Gedanken und Ideen zusammengefasst in zwei Grundsätzen, die unsere Mission tragen: Wir ermöglichen Inklusion durch Handball für Alle in der Metropolregion Hamburg.
Auf dieser Basis entwickelten wir die strukturellen Leitplanken und Rollendefinitionen, die Voraussetzung zur Umsetzung unserer Mission sind. Ergebnis ist eine fundierte Vorarbeit zur Gründung eines eigenen Vereines sowie die Definition aller notwendigen Funktionen, die wir bei Freiwurf Hamburg zur erfolgreichen Weiterentwicklung benötigen. Ende Februar ging die Beratungsphase unserer Coaches zu Ende und wir schrieben unseren Abschlussbericht für startsocial. Der Abschlussbericht bildete gleichzeitig die Grundlage für den Bundeswettbewerb, dessen Verleihung jedes Jahr im Bundeskanzleramt stattfindet. Dort werden von allen 100 Stipendiaten eines Jahres 25 Projekte eingeladen und sieben mit einem Betrag von 5.000 EUR ausgezeichnet. Ein Projekt erhält zudem den Sonderpreis der Bundeskanzlerin.
Für uns bildet der Abschlussbericht zugleich das Konzept, dass es nun umzusetzen gilt. Und wir haben damit bereits angefangen: So haben wir auf unserem Trainingslager in Österreich unseren Sportlern das Zielbild vorgestellt und mit ihnen über die Eckpunkte diskutiert. Zudem haben wir einen ersten Satzungsentwurf für einen künftigen Verein Freiwurf Hamburg entwickelt. Unser Weg und auch unsere Arbeit im Projekt geht also weiter!
Martin